Syrien-Konflikt:Russlands Präsident schwebt für die Triumphgeste ein

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Gruppenbild mit Hubschrauberpiloten: Kremlchef Wladimir Putin und Baschar al-Assad beim Besuch eines russischen Militärstützpunktes in Syrien. (Foto: REUTERS)
  • Bevor er nach Kairo und Ankara weiterreiste, besuchte Russlands Präsident Putin unangekündigt den Luftwaffenstützpunkt Khmeimim in Syrien.
  • In Anwesenheit von Syriens Machthaber Baschar al-Assad sagte Putin, der Terrorismus sei besiegt, Syrien sei "als unabhängiger, souveräner Staat gerettet".
  • Er befahl ein weiteres Mal den "Rückzug eines bedeutenden Teils der russischen Streitkräfte".

Von Julian Hans, Moskau, und Paul-Anton Krüger, Kairo, Moskau/Kairo

Das Timing von Wladimir Putin hätte kaum besser sein können - allerdings stand sein Besuch im Nahen Osten schon fest, ehe Donald Trump am Mittwoch seine Entscheidung bekannt gab, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. So wurde die Reise des russischen Präsidenten fast zum Triumphzug. Während US-Flaggen in Ammans und Beiruts Straßen brennen und die Trump-Regierung selbst engsten Verbündeten in der Region zunehmend als unzuverlässig und unberechenbar gilt, schwebte Putin zunächst unangekündigt auf dem Luftwaffenstützpunkt Khmeimim in Syrien ein, und reiste dann weiter nach Kairo und Ankara. In Anwesenheit von Syriens Machthaber Baschar al-Assad sagte Putin, der Terrorismus sei besiegt, Syrien "als unabhängiger, souveräner Staat gerettet". Er befahl erneut den "Rückzug eines bedeutenden Teils der russischen Streitkräfte". Den Teilabzug hatte er vor zwei Wochen schon angekündigt. Putin betonte, der Marine-Hafen in Tartus und die Luftwaffenbasis in Khmeimim blieben erhalten.

Vor Offizieren sagte Putin, wichtigste Aufgabe eines Soldaten sei die Verteidigung seines Heimatlandes und seines Volkes. Genau diese Aufgabe hätten die russischen Einsatzkräfte in Syrien erfüllt. "Denn indem Sie dem syrischen Volk geholfen haben, seine Staatlichkeit zu verteidigen und die Angriffe der Terroristen abzuwehren, haben Sie jenen eine niederschmetternde Niederlage zugefügt, die direkt, offen und frech unserem Land gedroht haben." Ende vergangener Woche hatte der russische Generalstab verkündet, die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sei in Syrien endgültig besiegt.

Die Erklärung ist mehr als nur symbolisch. Sie ist eine indirekte Aufforderung an die Amerikaner, Syrien zu verlassen. Die USA haben dort dem Pentagon zufolge 2000 Soldaten zur Unterstützung der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) im Kampf gegen den IS stationiert; 400 Marines sollen abgezogen werden. Ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums sagte am Montag, auf die "US-Prioritäten in Syrien" hätten die russischen Ankündigungen keinen Einfluss. Er sagte auch, "Russlands Äußerungen über einen Truppenabzug korrespondieren nicht oft mit tatsächlichen Truppenreduzierungen." Laut westlichen Diplomaten wird es mit dem Sieg gegen den IS schwieriger für die USA, Präsenz in Syrien zu rechtfertigen, Experten schätzen sie auf bis zu 5000 Mann.

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Das Pentagon will einen Teil des Kontingents zunächst dort lassen - offiziell, um ein Wiedererstarken des IS zu verhindern. Die Soldaten sind aber auch wichtigster Faktor, wenn die USA die Gestaltung der Nachkriegsordnung in Syrien beeinflussen wollen. Zuletzt klagten die Amerikaner, Zwischenfälle mit russischen Kampfjets im syrischen Luftraum hätten deutlich zugenommen; zwei seien fast kollidiert. Verteidigungsminister James Mattis aber ist entschlossen, die kurdischen Verbündeten nicht ihrem Schicksal zu überlassen. Doch hat Trump offenbar dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan versprochen, keine Waffen mehr zu liefern.

Zweite Station der Reise war Kairo: Nach mehr als zwei Jahren Verhandlungen wurde unter den Augen Putins und seines ägyptischen Kollegen Abdel Fattah al-Sisi der Vertrag zum Bau des Atomkraftwerks Dabaa am Mittelmeer unterschrieben. Staatskonzern Rosatom soll für 30 Milliarden Dollar vier Blöcke mit je 1200 Megawatt Leistung bauen. Das Geld bringt Russland großteils selber mit: Moskau gewährt Kairo 25 Milliarden Euro Kredit. Die Devisenreserven des Landes haben sich gerade auf 36,7 Milliarden Euro erholt. Der erste Meiler soll bereits 2024 ans Netz gehen, das Projekt 2030 abgeschlossen sein.

Damit vertieft Moskau seinen politischen und wirtschaftlichen Einfluss im bevölkerungsreichsten Land der arabischen Welt - das sich unter Präsident Anwar al-Sadat von der Sowjetunion abgewendet hatte und nach dem Frieden mit Israel einer der engsten US-Verbündeten wurde. Russland will in Freihandelszonen entlang des Suez-Kanals investieren, wo auch China Megaprojekte plant, etwa Afrikas größte Textilfabrik. Zudem verkauft Putin Waffen an Sisi, von denen viele in Syrien unter Gefechtsbedingungen eingesetzt wurden. In Kairo fanden auch Verhandlungen zwischen syrischen Gruppen über lokale Waffenstillstände statt; eine Oppositionsgruppe ist hier beheimatet. Auch in Libyen decken sich ägyptische und russische Interessen; beide unterstützen General Khalifa Haftar, den starken Mann im Osten.

Putin sagte Sisi überdies zu, Russland nehme die Flüge nach Ägypten wieder auf. Sie sind seit 31. Oktober 2015 unterbrochen, als der IS-Ableger auf dem Sinai einen russischen Ferienflieger mit 224 Menschen vom Himmel gebombt hatte. Danach brach der Tourismus ein, wichtigste Devisenquelle. Russen und Briten waren vor dem Anschlag die bedeutendsten Gästegruppen. Allerdings soll es Direktverbindungen erst im Februar geben - nach dem Weihnachtsgeschäft.

© SZ vom 12.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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